Mehr biologische Vielfalt in der Landwirtschaft

Nur wenige alte Gem¨¹se- und Fruchtsorten aus dem enormen Agrobiodiversit?tsschatz der Schweiz haben ihren Weg zu den Grossverteilern gefunden. Dabei k?nnten diese urspr¨¹nglichen Nutzpflanzen helfen, den genetischen Flaschenhals in der Landwirtschaft zu ¨¹berwinden.

Vergr?sserte Ansicht: Aufgereihte Karotten
Karotten in diversen Farben und Formen ¨C Sortenvielfalt ist eine Versicherung gegen unerw¨¹nschte Pflanzenkrankheiten. (Bild: Marco Clausen / flicker)

Fusarium oxysporum heisst der Pilz, der die weltweit bedeutendste Bananensorte ?Cavendish? in Plantagen rund um den Globus bedroht. Gr¨¹nde f¨¹r den sich schnell ausbreitenden Pilzbefall sind einerseits der intensive Anbau genetisch identischer Bananen in Monokulturen, andererseits die Verschleppung von Infektionen durch den globalen Handel mit Setzlingen. Weltweit w¨¹tende Sch?dlinge und Krankheiten sind ein zunehmendes systemisches Risiko f¨¹r die Landwirtschaft und gef?hrden unsere sichere Ern?hrung.

Erosion der Agrobiodiversit?t

Vergr?sserte Ansicht: Acker von Oben mit einer Landwirtschaftsmaschine
Standardisierte Kulturpflanzen in Monokultur verringern die landwirtschaftliche Sortenvielfalt. (Bild: James Brey / iStock)

Bei der Kulturpflanzenz¨¹chtung unterscheidet man grob zwischen Z¨¹chtung im Feld unter lokalen vorherrschenden Umweltbedingungen und Z¨¹chtung unter standardisierten Bedingungen. Der zweite Ansatz trimmt die Kulturpflanzensorte auf maximale Leistung in einer m?glichst uniformen Umwelt. Die Sorte bringt den hohen Ertrag durch die Zufuhr externer Ressourcen wie D¨¹nger, Pestizide und Wasser.

Die Z¨¹chtung unter standardisierten Bedingungen ist heute weit verbreitet. Sie verringert die traditionelle genetische Sortenvielfalt in der Landwirtschaft, weil sie wenige Hochleistungssorten f?rdert, die global vermarktet werden. Restriktive Rechte auf geistiges Eigentum und Methoden wie die Hybridz¨¹chtung verhindern bei vielen Hochleistungssorten, dass die Eigenschaften der Eltern auf dem Feld eins zu eins auf die Nachkommen ¨¹bertragen werden, so dass Bauern das Saatgut j?hrlich neu kaufen m¨¹ssen [1]. Wenn Bauern, die bisher Samenmaterial unter den lokalen Umweltbedingungen im Feld gewonnen haben auf Hochleistungssorten umsteigen, wird der nat¨¹rliche Kreislauf der Anpassung und die Erhaltung der traditionellen Sortenvielfalt unterbrochen. Dadurch erleben wir eine weltweite dramatische Erosion der Agrobiodiversit?t. [2].

Brach liegender Schatz an alten Sorten

Bei der ?traditionellen? Z¨¹chtung werden Pflanzenindividuen im Feldanbau ausgelesen, die unter den lokalen Umweltbedingungen den h?chsten Ertrag ergeben. Von diesen Eltern wird das Saatgut in der n?chsten Saison verwendet und vermehrt. So entstehen vielf?ltige Sorten, die lokal angepasst sind. Damit wird die genetische Vielfalt in den Anbausystemen erh?ht. Das macht Kulturpflanzen generell widerstandsf?higer gegen Sch?dlinge und andere Umweltfaktoren.

Vergr?sserte Ansicht: Vielfalt an Tomaten. (Bild: Wikimedia)
Vielfalt an Tomaten. (Bild: Wikimedia)

?ber tausende Jahre entstand auf diese Weise ein unermesslicher Schatz an Agrobiodiversit?t: Weltweit gibt es beisipielsweise ¨¹ber 700 Bohnensorten, und alleine in der Schweiz existieren (noch) rund 1000 verschiedene Apfelsorten. Diese regionalen Sorten, auch Landsorten genannt, bergen eine enorme genetische Vielfalt, die es ihnen erlaubt, sich rasch an neue Umwelt-faktoren anzupassen. Sie sind unsere Versicherung gegen unerw¨¹nschte Pflanzenkrankheiten, Sch?dlinge und sich ?ndernde Bedingungen.

Leider schlummert dieser wertvolle Schatz vorwiegend ungenutzt in Samenbanken oder Sorteng?rten vor sich hin. Warum? Beispiel alte Apfelsorten: Mangelnde Resistenz gegen¨¹ber dem gef¨¹rchteten Feuerbranderreger oder eine hohe Anf?lligkeit f¨¹r Schorf stehen heute einer breiten Vermarkung oft im Weg, auch wenn diese Sorten bestechende Eigenschaften aufweisen wie Sp?tfrosttoleranz in H?henlagen, einen besonderen Geschmack oder Toleranz gegen Trockenheit.

M?ngel beheben mit modernen Methoden

Geht es darum, die alten Sorten attraktiver zu machen, k?nnten die neuen molekularbiologische Techniken der Genom-Editierung ins Spiel kommen: Methoden wie CrisprCas (siehe Blogbeitrag) sind viel genauer, effizienter und kosteng¨¹nstiger als herk?mmliche Z¨¹chtungsverfahren, womit sie auch f¨¹r Z¨¹chter ausserhalb der grossen Konzerne interessant sind. Gelingt es, diese Methoden in Z¨¹chtungsprogramme einzubinden, die auf samenfeste Sorten und lokale Anpassung fokussieren, k?nnten sie helfen, die Resistenzengp?sse bei den alten Pflanzensorten zu ¨¹berwinden.

Dies geschieht etwa, indem man ein Gen, das eine bestimmte Krankheitsanf?lligkeit beg¨¹nstigt, in den alten Sorten gezielt inaktiviert. Oder man nimmt das Resistenzgen einer Wildpflanze und f¨¹hrt es wieder in eine moderne, verwandte Sorten ein ¨C schliesslich sind es oft genau diese Merkmale, die durch jahrzehntelange Z¨¹chtung auf hohe Leistung und Ertrag verloren gingen [3].

So liesse sich der enorme Schatz der Agrobiodiversit?t aus der reinen Erhaltungszucht der Sorteng?rten in den landwirtschaftlichen Ertragsanbau ¨¹berf¨¹hren.

Den genetischen Flaschenhals ?ffnen

Um das zu erreichen, braucht es mehr Z¨¹chtungsprogramme, die regional angepasste Sorten hervorbringen. Mit dem nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen f¨¹r Ern?hrung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) [4] hat die Schweiz einen ersten Schritt getan, ihre regionale Agrobiodiversit?t zu f?rdern. Daraus ergeben sich Chancen durch neue Nischenm?rkte oder in Form eines diversifizierten Ern?hrungssystems.

Der Wandel hin zu einer genetisch und biologisch vielf?ltigen Landwirtschaft k?nnte den neuen molekularbiologischen Methoden zu mehr Akzeptanz verhelfen.

Manuela Paschke hat diesen Beitrag zusammen mit externe SeiteManuela Dahinden geschrieben.

Lose Serie zur Pflanzenz¨¹chtung

Moderne Verfahren der Molekularbiologie (Stichwort Genom-Editierung) bergen das Potenzial, die Z¨¹chtung von Kulturpflanzen effizienter zu gestalten. Damit verbunden sind gesellschaftsrelevante Fragen und Herausforderungen, die der Zukunftsblog in einer losen Serie aufgreift.

Zur Autorin

Melanie Paschke

Melanie Paschke

Co-Gesch?ftsleiterin Zurich-Basel Plant Science Center, ETH Z¨¹rich.

externe SeiteWeitere Informationen zur Person

Weiterf¨¹hrende Information

[1] Kochupillai, Mrinalini (2016). Plant Breeding & Seed Improvement: Then & Now. In: Promoting Sustainable Innovations in Plant Varieties. Springer, Berlin ¨C Heidelberg: 49-77.    

[2] Jacobsen S., Sorensen M. & Weiner J. (2013). Feeding the world: genetically modified crops versus agricultural biodiversity. Agronomic Sustainable Development 33: 651-662.

[3] Artikel in der externe SeiteTAZ

[4] Bundesamt f¨¹r Landwirtschaft (1999). externe SeiteNationale Aktionsplan PGREL

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